Vor einiger Zeit habe ich an einem sogenannten Retreat teilgenommen, das von einem buddhistischen Mönch geleitet wurde.
Schon beim Einführungsvortrag fiel mir auf, daß der junge Mann gern redete, aber offenbar nicht besonders gut hörte.
Auch auf kurze und klare Fragen gab er ellenlange Antworten, die mit den gestellten Fragen aber meist nicht allzuviel
zu tun zu haben schienen. Ich wollte dieses delikate Thema nicht in aller Öffentlichkeit anschneiden und meldete mich
zu einem Einzelinterview. Da kann's nun sein, daß
ich etwas missverstanden habe, denn er fragte mich allerhand ungereimtes
Zeug; welche Unterschiede es gäbe zwischen Butter und mir, wie mein Name vor meiner Geburt geheißen habe u.ä...
Auf meine etwas verwunderte Antwort, mein Name sei ja wohl schon vor mir da gewesen und natürlich der gleiche wie hier
und jetzt, meinte er, 'Kein Name' und 'Hier und Jetzt' seien ganz verschiedene Dinge - das hatte ich ja nun wieder gar
nicht in Abrede gestellt, aber mir kam's doch komisch vor, weil er vorher zwischen den seltsamsten Dingen absolut
keinen Unterschied entdecken hatte können. Und dann muss sich sein Hörvermögen ganz plötzlich drastisch verschlechtert
haben, denn er forderte mich immer wieder auf, seine Fragen zu beantworten, ohne dabei zu reden.
Da war nun guter Rat teuer! Aber als ich einmal vor lauter Verzweiflung in die Hände klatschte, schien ihm das als Antwort
zu genügen, und als ich, verärgert über sein Unverständnis, einmal mit der Hand auf den Boden schlug, war er ganz
begeistert. Vielleicht, weil er diese lauten Geräusche dann doch noch wahrnehmen konnte. Auf jeden Fall unterhielten
wir uns eine Zeitlang ganz köstlich mit Händeklatschen und Auf-den-Boden-klopfen (ich kann nur hoffen dass die Leute,
die darunter wohnten, auch schwerhörig waren), bis er dann auch noch anfing mit einer gerade herumstehenden Glocke zu
bimmeln. Ich hatte Angst, er könnte das Ding nach mir werfen, und ging rücklings zur Tür hinaus, wobei ich mich ein
paarmal niederwarf, um einer evtl. geschleuderten Glocke auszuweichen. Ich erreichte jedenfalls sicher den Ausgang;
ob und wie sein Gehör beeinträchtigt ist, konnte ich jedoch nicht in Erfahrung bringen...
Also daß Zen-Meister eher - äh, hm - exzentrische Menschen sind, hatte ich ja schon vorher gehört, aber daß es dazu
auch von Vorteil ist, schwerhörig zu sein, war mir neu; oder ist es vielleicht eine 'Marktlücke' für Schwerhörige, die dann
immer behaupten können,
der Andere verstehe nicht?
Der ernste Hintergrund dieser (nicht erfundenen) Geschichte: wie sinnvoll ist es, Anfänger (oder was man für Anfänger
hält) mit Aussprüchen abgründiger Weisheit und koan-Fragen zu konfrontieren, oder unbedarfte Neulinge mit der message
"Du brauchst nur aufhören zu denken, dann ist alles in Butter"...? Können sie von diesen esoterischen Weisheiten
tatsächlich profitieren oder die als solche überhaupt erkennen, vorausgesetzt
sie sind tatsächlich vom 'Lehrer' bereits
verwirklicht worden? 