Da dieses interessante Thema ja mit 'Gewalt gegen Frauen' überhaupt nichts zu tun hat, habe ich damit einen neuen thread aufgemacht und würde madonna1 bitten, die dazugehörigen postings hierher zu verschieben...
Zitat von andreasNö, aber der Satz ist der Wortsinn von Fundamentalismus., Da kann atürlich und wird auch in Zukunft immer mal weider was anderes mitschwinegen, aber vom Begriff her ist das das religiöse Fundament oder das, was man dazu erklärt. Im Islam ist das nunmal das Wort Gottes, also der Koran. So sehen es so ziemlich alle Muslime. http://wwwuser.gwdg.de/~agruens/fund/fund.html Beachte hier bitte die erste Tabelle bezüglich der beurteilung welche Gruppen fundamentalisisch sind.
Wie schon gesagt - welche Gruppen nach Ansicht von irgendwem mehr oder weniger fundamentalistisch sind, ist IMHO kein Argument dafür oder dagegen, eine ganze Religion als 'fundamentalistisch' zu bezeichnen. Ich habe diesen Vortrag in den letzten Tagen durchgesehen und frage mich, was Du außer dieser Tabelle darin für einen Anhaltspunkt für Deine Meinung siehst - also ich habe so ziemlich gar nichts gefunden... Wir können aber gern den Text Punkt für Punkt durchgehen und sehen, wo wir die Dinge verschieden sehen.
Ich kann ja gern, wenn Du unbedingt meinst dass es so ist, in Zukunft alle Muslime als 'Fundi' bezeichnen, und mich dabei auf Dich berufen... Glaube aber kaum, dass das sehr viel Zustimmung finden würde
In Antwort auf:Laut Brockhaus gab es den Fundamentalismus von der Sache her jedoch bereist anfang 19 Jhd. Es geht doch immer um das Festhalten an Grundsätzen - in unserem Falle dem Koran.
Grundsätzen - ja, aber welchen? Ist JedeR der an irgendwelchen Grundsätzen festhält, ein Fundamentalist? Von der Sache her gab es das, was heute Fundamentalismus genannt wird, schon seit Anfang der Neuzeit, Ende des 15. Jh. [vgl. hier - das Buch habe ich hier schon mal empfohlen] - da war der Islam aber schon 900 Jahre alt...
Zitat von GrünschloßReligiöser Fundamentalismus erscheint als eine Art übersteigerter, jedoch selektiv anknüpfender Traditionalismus, denn es werden nur einzelne, ausgewählte Traditionselemente in den Rang "fundamentaler" und somit alles entscheidender Orthodoxiekriterien erhoben... Für den religiösen Fundamentalismus läßt sich folglich ein Zusammenspiel zwischen einer selektiven Intensivierung von bestimmten, binnenperspektivisch für "fundamental" und "ursprünglich" erachteten Traditionselementen und einer (ebenfalls selektiven) distanzierenden Relationierung gegenüber einer als "feindlich" erachteten Umwelt rekonstruieren (in diese Gegen-Welt können allerdings auch andersdenkende eigene Traditionsgruppen ausgegrenzt werden). Wie sich in der Gegenüberstellung zum "Nativismus" zeigen wird, sind die sogenannten fundamentals religionsgeschichtlich nicht immer nur als unverfälschte Repristinationen altehrwürdiger Konstruktionsprinzipien der Gesamttradition anzusehen: sie können durchaus innovative (und sogar "synkretistische") Elemente enthalten... Der exklusiv-kämpferische Geltungsanspruch des Nativismus bezieht sich auf einen realen Kulturkonflikt zwischen tatsächlich fremder und traditionell-eigener Kultur (so wie sie vom gläubigen Selbstbewußtsein ideal rekonstruiert wird). Dies muß im Fundamentalismus so nicht gegeben sein: Hier handelt es sich vielfach um eine kulturimmanente Protestbewegung. Fundamentalistische Reaktionsbildungen können aber auch in einem Kulturkonflikt angesiedelt sein; z.B. islamische Fundamentalismen, die sich gleichsam als islamisch-nativistische Reaktion auf eine (Identitäts-) Krise konstituieren, die (u.a.) durch eine modern-westliche Überfremdung eingeleitet wurde.
Das entspricht ziemlich genau dem, was ich schon aus 'Fundamentalisms observed' zitiert habe, aus dem ja auch die von Dir angesprochene Tabelle stammt...
___________________________ Nichts bedarf so sehr der Reform wie die Meinungen anderer Leute. [Mark Twain]
Die Wortbedeutung ändert sich ständig. Die anerkannten Lexikons (z.B. Brockhaus) stellen den IST-Zustand dar. Prägen und verändern tut der allg. Gebrauch dieser Vokabeln. Wie stand es wieoft in der Presse, der Sprachschatz des Volkes gibt die momentane Bedeutung an. (und die wandelt ständig) Zur Zeit ist es so, das Fundamentalismus negativ besetzt ist. Niemand möchte ein Fundamentalist sein, weil die Allgemeinheit damit Terroristen versteht, reininterpretiert. Immer wieder gibt uns die Presse bei politischen Interviews zu verstehen, als Beispiel: die bösen Fundamentalisten und die guten gemäßigten Mushahedien. Sprachwissenschaftlich betrachtet wird die Wortbedeutung immer wieder so verbogen, wie es politisch passt um damit entsprechend negativ oder positiv etwas zu verstärken.
Persönlich sehe es wie Andreas: Zitat: Nö, aber der Satz ist der Wortsinn von Fundamentalismus., Da kann atürlich und wird auch in Zukunft immer mal weider was anderes mitschwinegen, aber vom Begriff her ist das das religiöse Fundament oder das, was man dazu erklärt. Im Islam ist das nunmal das Wort Gottes, also der Koran.
aber in den Lexikons wird religiöser Fundamentalismus nicht von Fundament des Glaubens hergeleitet oder beschrieben. Das muß man denn wohl so akzeptieren, denn Wörter sind nicht nach persönlichem Geschmack zu gebrauchen, sondern so, wie sie von der Allgemeinheit verstanden werden.
------------------------------------------------- Taqiyya bitte nicht mit Tequila verwechseln, kommt auch nicht aus Mexiko!
....weiter... Wie in jeder Religion gibt es auch bei den Moslems "Papiermoslems" und "Richtige". Die 1:1 Umsetzung der mohammedanischen Glaubenstexte ist für mich eine fundamentale Glaubenseinstellung. Die fundamentale Auslegung des Korans läßt z.B. keine Begründung damit zu, das wir heute Kühlschränke besitzen und deshalb auch Schweinefleisch gefahrlos verzehren könnten. usw. (Fundamental ist, wenn man Lebensregeln von vor ca. 600 n.Chr. aus dem orientalischen Raum in die Gegenwart projeziert. Z.B. ein muslemischer Astronaut, der die Gebetszeiten einhalten will. (geht ja gar nicht))
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Zitat von WelfenZur Zeit ist es so, das Fundamentalismus negativ besetzt ist. Niemand möchte ein Fundamentalist sein, weil die Allgemeinheit damit Terroristen versteht, reininterpretiert.
Ganz im Gegenteil - Andreas sieht sich selbst als Fundamentalist und möchte alle Muslime so gesehen wissen - ob's denen nun passt oder nicht... Dass die Wortbedeutungen in der Allgemeinheit sich recht schnell ändern, ist wohl so. Die Wortbedeutungen im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bleiben aber meist relativ lange erhalten. Und 'Fundamentalismus' kommt nun mal nicht von den Fundamenten irgendeines Glaubens, sondern von dem, was bestimmte Leute, die Fundamentalisten, als 'fundamental' ausgewählt haben - die 'fundamentals' der Presbyterianer z.B., die für andere Christen wieder überhaupt keine Fundamente darstellen... Da wieder in den Gegensatz 'wirkliche' und 'Mitläufer' hineinzuinterpretieren ist genau die Taktik fundamentalistischer Besserwisser jeglicher Provenienz...
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Zitat von qilinGanz im Gegenteil - Andreas sieht sich selbst als Fundamentalist und möchte alle Muslime so gesehen wissen - ob's denen nun passt oder nicht...
Na und, darf er doch! Darf doch sein was er will und als Fundamentalist ist es doch mehr als natürlich, das seine Umma auch so zu sein hat. Solange wir noch nicht in einem islamischen Gottesstaat leben darf sich jeder Wünschen was er will wie seine Glaubensschwestern u. Brüder zu sein haben. -Und selbstverständlich gibt es Papiermoslems. Für gläubige Moslems sind das ganz obskure Zeitgenossen.-
(Papiermoslems=tun nur frömmig wenn andere dabei sind)
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Reinecke
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gelöscht
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Beiträge:
31.07.2008 18:47
#6 RE: Islam und Fundamentalismus, oder Islam ist Fundamentalismus?
In Antwort auf:qilin zitierte Grünschloß: Religiöser Fundamentalismus erscheint als eine Art übersteigerter, jedoch selektiv anknüpfender Traditionalismus, denn es werden nur einzelne, ausgewählte Traditionselemente in den Rang "fundamentaler" und somit alles entscheidender Orthodoxiekriterien erhoben...
Hier liegt mE der Hund begraben: Fundamentalismus ist eine Einschränkung auf bestimmte, für fundamental erklärte Glaubensinhalte, idR mit dem Ziel der Durchsetzung politisch-gesellschaftlicher Interessen einer "religiösen Orthodoxie", also Gruppen, die in und durch die Religion einen großen Einfluss genießen. Da mWn keine große Religionsgruppe, schon gar keine "Weltreligion" ein streng definierte Grundlage hat bedarf es immer der Interpretation, bei den heutzutage vorherrschenden Buch- oder Gesetzesreligionen der Interpretation der offenbarten Weisheiten (Koran, Bibel etc.).
Erst wer die Meinungshoheit über diese Interpretationen erlangt kann mit Hilfe der Religionen Macht ausüben. (Weswegen die Mystiker eigentlicher aller Religionen sehr schlecht beleumdet waren, zumindest von den religiösen Hierarchien; denn die Grundlehre des Mystizismus "Die Wahrheit liegt in Dir!" beschneidet die Möglichkeiten religiöser Machtausübung enorm.) Fundamentalismus ist nichts, was einer Religion inne wohnt oder nicht, sondern die Benutzung der Religion zu gesellschaftspolitischen Zwecken, insbesondere zu Machtausübung.
Warum schreibe ich an dieser Stelle nicht "Missbrauch"? Ich gehe schon davon aus, dass die eine oder anderen Religion schon so (oder so ähnlich) entstanden ist. Allerdings haben sich alle Weltreligionen über Jahrhunderte entwickelt, und dabei verschiedenste Strömungen hervorgebracht. Diesen Pluralismus zu ignorieren zeugt mE nur von einem: Einem eingeschränkten Weltbild.
Daher halte ich auch die Einteilung in "wahre" und "falsche" Gläubige für grundfalsch, zumindest wenn sie von Außenstehenden ausgeht. Um es explizit zu sagen: Wenn Andreas als Moslem sagt "Das ist der wahre Islam, und alle Aussagen, die davon abweichen, sind falsch", ist das zuerst seine Auslegung, das, was er für richtig hält (und das ist sein gutes Recht, jeder kann eine Meinung haben). Interessant ist (im Hinblick auf das gesellschaftliche zusammenleben), wie solche Meinungsverschiedenheiten innerhalb einer Religionsgruppe ausgetragen werden.
Eine völlig andere Qualität haben solche Aussagen aber, wenn andere (z.B. welfen ;)) solche Aufteilungen vornehmen; offensichtlich ist es ja nicht seine Auffassung von "richtig", die er vertritt, sondern seine Vorstellung, was ein Moslem für falsch und richtig zu halten hat. Es ist damit eine völlig fremdbestimmte Zuschreibung, oder, um kurz zu sagen, ein schlichtes Vorurteil.
die "richtig" oder "falsch" Religiösen kommen doch gar nicht von mir, meinetwegen kannste die alle in einen Sack stecken, ich bemerke nur, das die Fundis die Papierreligiösen und umgekehrt die Liberalreligiösen die Fundamentalisten als jeweils die "Falschen" bezeichnen. Und das innerhalb der Hauptreligion. Das die unterschiedlichen Abspaltungen der Hauptreligion sich mehr untereinander behacken, ist nunmal keine Unbekannte. Ich beobachte lediglich das mit "falsch" u. "richtig".
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