Vielen Dank, Gisbert, daß du dich wieder zu einem Thread-Thema von mir beteiligst.
Demütigst bitte ich dich, Geduld zu haben, wenn du wieder meinen solltest, daß ich dich beleidige.
Während der letzten Tage habe ich öfters an die Probleme gedacht, die du hast, die Ungeheuerlichkeit der Behauptung, daß die Frühindustrialisierung die durchschnittliche Lebenserwartung auf unter 20 Jahre gestürzt hätte, zu erkennen und/oder zuzugeben.
Immer wieder habe ich mir die Frage gestellt, ob dies ein Problem sein kann, welches den Verstand betrifft. Das Ergebnis des vielen Grübelns ist es, daß ich es mir nicht vorstellen kann.
Ich glaube, daß es ein Problem von Stolz ist. Und vor allem von Glauben.
Aber darüber möchte ich später nochmals kommen.
Nun fragst du mich, « was der vorliegende(verlinkte)Fall mit dem Thread-Thema zu tun hat ».
Wenn du auch nur die ersten zwei Sätze von dem liest, was bei dem o.e. Link steht:
« Ich habe Manfred Lehmann vor fünf Jahren kennen gelernt. Er lebte damals zusammen mit einigen Obdachlosen am Halleschen Tor und schlief in der Frauentoilette am Landwehrkanal. »
und dann diese zwei Sätze mit dem Thread-Thema vergleichst:
« Atheismus, Verelendung, Kommunismus, Götzendienst »
fällt dir gar keine Ähnlichkeit auf?
Hat die Tatsache, daß ein Mensch, ein Sohn deines himmlichen Vaters, zusammen mit einigen anderen Obdachlosen in einer öffentlichen Toilette schläft, mit Verelendung nicht zu tun?
Mit Kommunismus* hat es ein wenig auch zu tun, denn die Menschen dort – die Kinder deines himmlischen Vaters – leben in einer dem Sozialismus folgende Gesellschafts– und Wirtschaftsordnung, in der das Privateigentum beseitigt und die Klassengegensätze aufgehoben sind.
Damit wären von den vier Begriffen, die im Thread-Thema angegeben sind, schon die Hälfte der Bedingungen betroffen: Verelendung und Kommunismus.
Meinst du aber nicht, daß es auch sehr viel – sogar noch viel mehr – mit den anderen zwei Begriffen zu tun hat, mit
Atheismus und Götzendienst.
Denn diese Menschen sind nicht in der Wüste verelendet. Auch nicht am Nord- oder am Südpol.
Sie sind mitten in Europa verelendet. Im reichsten Kontinent dieser Welt. In einer Epoche, wo Europa den bisherigen Gipfelpunkt ihres Reichtums erreicht hat.
Du solltest auch die Tatsache berücksichtigen, Gisbert, daß Toiletten nicht dort gebaut werden, wo weit und breit kein Mensch zu sehen ist. Sie werden dort gebaut, wo viele Menschen ständig vorbeigehen.
Was sind es für Menschen gewesen, welche die furchtbare Not ihrer Geschwister - der Söhne ihres himmlischen Vaters - zu Gesicht bekommen haben, und dennoch vorbeigegangen sind?
Können es Menschen gewesen sein, welche an Gerechtigkeit und Barmherzigkeit geglaubt haben?
Menschen, welche wissen, daß sie in jedem von ihren verelendenden Geschwister den Allmächtigen sehen müssen.
Können die Menschen, welche einen solchen Greuel haben geschehen lassen, Menschen gewesen sein, welche die Mahnung von Jesus ernst nehmen:
«Wenn aber der Menschensohn kommen wird in seiner Herrlichkeit, und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und alle Völker werden vor ihm versammelt werden.
Und der wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.
Da wird dann der König sagen zu denen zu seiner Rechten:
Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet.
Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht.
Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.
Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen:
Herr, wann haben wir dich hungrig gesehen und haben dir zu essen gegeben, oder durstig und haben dir zu trinken gegeben?
Wann haben wir dich als Fremden gesehen und haben dich aufgenommen, oder nackt und haben dich gekleidet?
Wann haben wir dich krank oder im Gefängnis gesehen und sind zu dir gekommen?
Und der König wird antworten und zu ihnen sagen:
Wahrlich, ich sage euch:
Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.
Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken:
Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das hewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln!
Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir nicht zu essen gegeben.
Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir nicht zu trinken gegeben.
Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich nicht aufgenommen.
Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich nicht gekleidet.
Ich bin krank und im Gefängnis gewesen, und ihr habt mich nicht besucht.
Dann werden sie ihm auch antworten und sagen:
Herr, wann haben wir dich hungrig oder durstig gesehen oder als Fremden oder nackt oder krank oder im Gefängnis und haben dir nicht gedient?
Dann wird er ihnen antworten und sagen:
Wahrlich, ich sage euch:
Was ihr nicht getan habt einem von diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan.
Und sie werden hingehen: diese zur ewigen Strafe, aber die Gerechten in das ewige Leben.»
(http://www.bibel-online.net/buch/40.matthaeus/25.html#25,31)
Wenn die Menschen, welche diese Greuel haben geschehen lassen, nicht an Gott geglaubt haben, dann müssen sie entweder mit Atheismus oder mit Götzenglauben infiziert gewesen sein. Wobei es Ansichtssache ist, ob zwischen Atheismus und Götzenglauben einen Unterschied gibt.**
Kannst du dir vorstellen, lieber Gisbert, wie verzweifelt diese Menschen all die Jahre lang gewesen sein müssen.
Nein, ich glaube, daß du es dir nicht vorstellst.
Menschen, welche noch nie in einer solchen Situation gewesen sind – und ich gehe davon aus, daß du in einer solchen Situation noch nie warst, bitte korrigiere mich, wenn ich mich irre – können sich die Lage kaum vorstellen.
Man meint auch meistens, daß die Menschen, welche obdachlos sind, selber schuld sind. Warum wären sonst ihre Mitbürger in einer demokratischen, zivilisierten und sehr wohlhabenden Gesellschaft vorbeigegangen, ohne die Situation zu ändern?
Aber, lieber Gisbert, vielleicht hast du schon gehört - oder sogar im Fernsehen gesehen - von Situationen, in denen Sozialpsychologen Konfigurationen gebildet haben, in denen so gut wie alle Vorbeigehenden sich so verhalten haben, wie der Priester und der Levit in dem Bericht des Samariters (http://www.bibel-online.net/buch/42.lukas/10.html#10,30).
Was mich betrifft, habe ich mindestens einmal im Fernsehen eine Reportage gesehen, in der die Autoren am Rand einer frequentierten Straße einen brennenden Autowrack so gestellt hatten, daß die Vorbeifahrenden den Eindruck haben mußten, daß sich vor ihren Augen eine furchtbare Tragödie ereignete. Stundenlang sind die Autos vorbeigefahren. Niemand hat angehalten. Es hat sich sogar niemand bemüht, Hilfe zu holen oder die Polizei zu benachrichtigen.
Hast du schon mal gehört, lieber Gisbert, wie in einer großen Stadt ein Mensch erstocken oder eine Frau vergewaltigt wurde, ohne, daß jemand in den vielen anliegenden Häuser eingegriffen oder mindestens die Polizei angerufen hätte?
Es sind Dinge, die immer wieder auf der ganzen Welt stattfinden, weil wir Menschen die Warnung, die uns Jesus hat zukommen lassen, nicht ernst nehmen.
Wenn du all das, was ich gerade gesagt habe, noch nie gehört hast, dann hast du, lieber Gisbert, vielleicht von Guantanamo und Abu-Ghraib gehört.
An der Adresse:
http://www.medknowledge.de/abstract/med/...6-folter-da.htm
kannst du lesen:
«In jedem steckt ein Folterknecht
"Waren der Folterskandal von Abu Ghureib oder die Demütigung von Bundeswehr-Rekruten das Werk vereinzelter Sadisten? Psychologen haben 25.000 Studien mit insgesamt acht Millionen Teilnehmern ausgewertet. Das Ergebnis: Jeder Mensch ist fähig, andere brutal zu quälen... »
Und vielleicht kennst du auch die Ergebnisse der Studien von Heinz Leymann über psychosozialer Folter. Auch Stanley Milgram und Philip Zimbardo haben berühmte/berüchtigte Studien auf dem Gebiet durchgeführt.
(http://www.leymann.se/deutsch/frame.html, http://www.stanleymilgram.com/milgram.html, http://www.prisonexp.org/german/indexg.htm)
Wenn sich eine Strömung von Menschen gebildet hat, welche sich mit Wahngedanken und mit Wahngefühlen infiziert haben, dann ist äußerst unwahrscheinlich, daß sich der einzelne in der Strömung von diesen Wahngedanken und Wahngefühlen distanzieren kann.
In jeder von uns steckt ein Folterknecht, der zu jeder Zeit aktiviert werden kann. Es ist schrecklich aber wahr. Wir dürfen diese Tatsache nicht ignorieren.
Wir sollten uns dieser Tatsache ständig bewußt sein, damit wir nicht durch eine psychische Epidemie (http://de.wikipedia.org/wiki/Psychische_Epidemie) verseucht werden.
Wir sollten wissen, daß jeder von uns in einer verseuchten Masse alleine ziemlich hilflos ist, daß keiner von uns aber wirklich alleine ist, wenn er Vertrauen in seinem Schöpfer hat.
In einer psychischen Epidemie herrscht der vollkommene Kommunismus der Gedanken und der Gefühle. Jeder hat das private Eigentum über seinem Denk- und Fühlvermögen an die Masse abgetreten.
Deswegen ist die Möglichkeit, sich mit Atheismus infizieren zu lassen, nur für denjenigen momentan annehmbar, der die Existenz von psychischen Epidemien ignoriert. Atheismus basiert auf Realitätsflucht.
Da es schon spät ist, muß ich leider abbrechen.
Wenn es mir der Allmächtige erlaubt, werde ich dir die bedenkenswerten Ähnlichkeiten zwischen der großen Theorie von Karl Marx und der Minitheorie von Joachim Ritzkowsky darlegen.
Auch Ritzkowsky hat im Unglück einer Minderheit ein Massenphänomen gesehen.
Der eine mal mehr, der andere mal weniger, leben wir alle in der Realitätsflucht. Wir sollten einander helfen, damit wir auf die real existierende Welt zurückkommen können.
Gute Nacht für heute
Gianni
---------------------------------------------------------------
Anmerkungen:
*
Wörterbuch der deutschen Sprache
Kom|mu|nis|mus [m. –nur Sg.; nach marxistischer Auffassung] die dem Sozialismus folgende Gesellschafts– und Wirtschaftsordnung, in der das Privateigentum beseitigt und die Klassengegensätze aufgehoben sein sollen
**
Wer an Götzen glaubt, glaubt nicht an Gott. Er ist also in dem Moment mit Gottlosigkeit, d.h. mit Atheismus, infiziert.
Ungekehrt, wer mit Atheismus infiziert ist, der glaubt an moralischen Grundsätzen, welche sich mit Gottes Absichten nicht vertragen. Diese Grundsätze bilden für ihn eine Art Gottheit, der er sich unterwirft. Er ist also in dem Moment mit einer Art Götzenglauben infiziert, obwohl ein materielles Götzenbild in der Form etwa von einem goldenen Kalb oder desgleichen nicht vorhanden ist.